Welcome to Vanuatu

Nach einer meist rasanten, wunderparen Passatwind-Überfahrt kommen wir nach etwas mehr als sechs Tagen auf Tanna in Vanuatu an. Es geht gut los!

Es ist windig und für uns Barfußsegler recht kühl: Man beachte Kokosnuss und Schwerwetterzeug. Mädels halt ;-)

Es ist windig und für uns Barfußsegler recht kühl: Man beachte Kokosnuss und Schwerwetterzeug. Mädels halt 😉

Die Überfahrt von Tonga nach Vanuatu war am Ende einfacher als der Wetterbericht erwarten ließ. Etwas südlich von Fiji hat uns die Flaute erwischt. Wir haben fünfzehn Stunden die „Iron Jib“ genutzt, um den Trog des kleinen Tiefdruckgebietes zu erreichen. Der Wind frischte dann auch ordentlich auf. Mit 25 bis 30 Knoten im Maximum rasten wir Richtung Vanuatu. Der Himmel war endlich wieder blau und die Regensysteme hielten sich sehr zurück. Tatsächlich war das Wetter so gut, dass wir am Trog zweifelten und das Gefühl hatten, dass wir einfach wieder in ein starkes aber intaktes Passat-System eingefahren sind.

Die Tage vergehen mit Schule, spielen, lesen und natürlich dem Wachrhythmus. Mina ist mittlerweile sehr an die zum Teil hohen Wellen gewöhnt und löst Mathe, Deutsch, Englisch und Sachkundeaufgaben als wäre sie in einem wohltemperierten Klassenraum. Wir sind zudem froh, dass sie nun schon sehr selbständig arbeitet. Auf der guten Basis der eigenständigen Freiarbeit an ihrer Matthias-Claudius-Schule hat sie es nun perfektioniert. So kommt sie auch voran, wenn wir mal etwas sportlicher Segeln und nicht bei ihr sitzen können.

Als hervorragenden Zeitvertreib haben wir auch das gute alte Rollenspiel wieder entdeckt. Mina und Heide streifen stundenweise durch die Weiten Aventuriens. Da uns die notwendigen zwanzigseitigen Würfel fehlen, hat Mina einfach eine App für das iPad mit „Hopscotch“ programmiert. Es freut den Informatik-Lehrer ;-).

Apropos Informatik: Mina hat die Grundlagen des Lernens im Fach Psychologie ja mit praktischer Anwendung an ihren Mäusen gelernt. Skinner, Pawlow und Kollegen sind ihr also bekannt. Aber nun hat sie sich entschlossen, Programmieren weiterzutragen. Jetzt steht es auf dem Stundenplan und Mina jongliert erfolgreich mit Objekten, Variablen, globalen Funktionen, Randomizern, If-When- und Unendlich-Schleifen. Ich bin ziemlich überrascht, was eine Neunjährige schon auf die Reihe bekommt, wenn das Werkzeug (Hopscotch auf dem iPad) und die Motivation („hey, ich kann meine eigenen Spiele programmieren!“) stimmen.

Wir erreichen die Insel Tanna nach 948 Seemeilen Fahrt mitten in der Nacht und verlangsamen Alytes auf zwei Knoten, um nicht bei Dunkelheit vor Anker gehen zu müssen. Wir wissen nicht, wie und wann die Leute hier fischen. Die Holeleine eines Hummerkorbs oder ein mehr oder minder unbewachtes Stellnetz im Propeller können einem schon den Tag kosten. Ein wunderbarer Sonnenaufgang ermöglicht gegen sieben Uhr ein Ankermanöver in Lenakel. Eine seltsame Position, denn es gibt keinen direkten Schutz (einen Strand oder ein paar Klippen oder ähnliches) vor Wind oder Welle. Die Insel selbst bremst den Passat und ein unter Wasser bleibendes Riff lenkt den größten Teil des Schwells ab. Neben uns brechen hohe Wellen. Großartig, wenn wir surfen würden. Komisch, wenn man in nächster Nähe dort ankert.

Ich fahre zunächst allein an die Küste, um uns einzuklarieren. Mit dem Dinghi geht es durch ein einfaches Korallenlabyrinth und an den Strand. Vorbei am Betondock, an dem gerade ein mittelgroßer Versorgungsfrachter entladen wird. Erst links, dann dreht er mit schwerer Schlagseite am Dock, dann rechts. Er steht, als ich vorbeifahre, wieder fast gerade.

Das Versorgungsschiff hat gerade gedreht, um die Steuerbordseite zu entladen

Das Versorgungsschiff hat gerade gedreht, um die Steuerbordseite zu entladen; Man achtet auf Emissionen

Am Dock eine Menge fröhlicher Männer. Für uns sehen sie zunchst etwas düster aus. Nein, nicht nur weil sie als Melanesen deutlich dunklere Haut haben als die Polynesier. Die Gesichtszüge sind einfach deutlich härter, die Stirn eher gewölbt und ausgeprägte Brauenknochen. Dazu gerne mal einen Vollbart, den man von den Aborigines in Australien kennt.

Aber das Lächeln vertreibt unsere Sozialisierung, nach der solche Leute meist in mehr oder minder guten Piraten- / Mantel und Degen- / Robinsonfilmen als passionierte Kannibalen gezeigt und erinnert werden.

Direkt am Strand ein großer Markt. Schließlich ist Lenakel das Zentrum Tannas. Es gibt ein tolles Angebot von Kohl, Möhren, Bohnen, Kava, Taro und allem, was das tropische Klima so hergibt. Beeindruckend vor allem das, was sie Beans – also Bohnen – nennen. Das Gemüse ist grüne Schote mit weißer Marmorierung längsseits. Aber sie ist etwa einen Meter lang und hat einen Durchmesser von knapp 15 cm. Wir werden sie in den nächsten Tagen probieren.

Warenpräsentation wie in Paris. Kein Wunder, Vanuatu wurde fast 80 Jahre auch von Frankreich verwaltet

Warenpräsentation wie in Paris. Kein Wunder, Vanuatu wurde fast 80 Jahre auch von Frankreich verwaltet

Der Handel wird ausschließlich von den Frauen übernommen. Bunte, selbstgenähte Kleider überall. Sonst dominieren die Shirts von Charities. Den Soundtrack übernimmt ein Geistlicher von irgendeiner der hiesigen Kirchen. Kein Cargo-Kulter (dazu später mehr), sondern ein Christ. Nebenbei legt er Hand auf und heilt wundersam.

Einige der Marktfrauen

Einige der Marktfrauen

Buntes Treben am Markt

Buntes Treben am Markt

Überall in den Straßen tummeln sich noch Pick-ups der Hilfsorganisationen: Care, World Vision, AusAid und wie sie alle heißen. Vanuatu wurde im März durch den Zyklon Pam hart getroffen. Auch aus diesem Grund gibt es noch immer keine Früchte, da die eher fragilen Bananen und Papayas weitgehend zerstört wurden. Die NGOs helfen mit dem Wiederaufbau der Wasserversorgung und den Straßen. Ein schönes Zitat eines Locals habe ich dazu auch gefunden:

„Wir sind dankbar für die Hilfe der NGOs. Mit Sätzen wie „erst 50% der Bevölkerung hat Zugang zu aufbereitetem Wasser; Die Straßen sind nur mit Geländewagen sicher zu befahren“ sichern sich die Organisationen Spendengeld und raison d’etre in Vanuatu. Aber: auch vor dem Sturm hatten nicht mehr Leute Zugang zu gechlortem Wasser. Die Straßen sahen ebenfalls nicht viel besser aus. Das Problem: Solche Nachrichten schrecken vielleicht Reisende ab und wenn die Helfer zu lange bleiben, verlernen wir, uns selbst zu helfen statt in Abhängigkeit unsere Probleme zu lösen.“

Vor der Bank gibt es heute lange Schlangen. Zum Ende des Monats (noch dazu ein Freitag), war Zahltag und alle holen Geld ab. In der Bank wird nur geflüstert. Ich tausche ein paar US in Vatus und freue mich über die hübschen, auf Folie gedruckten Scheine.

Später kaufen wir gemeinsam noch ein paar Lebensmittel und eine Prepaid-Karte fürs Internet (Edge ist das höchste der Gefühle…). Wir freuen uns über die sehr herzliche Stimmung, die Leute freuen sich über uns. Minas mittlerweile sehr hellen, fast weißen, Haare sind eine Attraktion (auch wenn hier das eine oder andere Kind eine blonde oder rotblonde Krauslocke trägt).

Am nächsten Tag kreuzen wir hart am Wind um die Insel, um nach Port Resolution zu kommen. Fünfundfünfzig Meilen gegen eine zwei Meter hohe Welle und in Teilen fünfundzwanzig Knoten Wind.

Die Kreuz um Tanna. Wir schaffen 40° schenbaren und etwa 60° wahren Wind. Die nach west setzende Strömung hilft nicht wirklich...

Die Kreuz um Tanna (der bei der Tiefe 640 beginnende Querstrich ist noch ein alter Track). Wir schaffen 40° schenbaren und etwa 60° wahren Wind. Die nach west setzende Strömung hilft nicht wirklich…

Harter Sport und für uns Vorwindsegler eine schöne Abwechslung. Nach zehn Stunden kommen wir kurz vor Sonnenuntergang in der sehr geschützten Bucht an.

Bei einer Portion Spaghetti Carbonara, einem der letzten Hinanos und einem Rest Dämmerung zeigt Mina auf ein paar Rauchsäulen am Hang über uns und keine 250 Meter entfernt direkt an der Wasserlinie. „Das sind aber keine Kokosnussschalen, die da brennen!“. Stimmt. Das sind kleine Nebenkrater des Mount Yasur. Ganz schön nah. Wir werden ihn hoffentlich morgen besuchen und einen Blick in seinen feurigen Hauptkrater werfen.

Bücher:
Mina: Carlotta, Internat auf Probe und Sophie im Schloss des Zauberers
Fritze: Patrick O’Brian: Treasons Harbour, Kant: Kritik der reinen Vernunft, Zweite hin und wieder verbesserte Auflage

6 Gedanken zu „Welcome to Vanuatu

  1. Jørn

    Oha, die Damen von Berswordt machen aber eine äußert professionelle und elegante Figur im steifen Signalrot 🙂 Und ich sehe mit Freude, dass trotz der langen Reise sorgsam auf die Life Line geachtet wird – und dass mindestens noch eine Winschkurbel vorhanden ist. Bitte noch mehr Bilder vom Bordleben und der Crew! Hat der Skipper mittlerweile Bart und Frisur auf dem Kopf? Die Chefin blondes Haar? Und wie geht es den Mäusen? Sind sie folgsam oder gab es schon eine Meuterei, um den Käfig zu verlassen?
    Alles Liebe aus dem mittlerweile deutlich kühleren Düsseldorf (15°C). Jørn.

    1. AlytesSkipper Beitragsautor

      Das ist ja eine Justus-Jonas-artige Beobachtungsgabe. Ich sehe schon: Bilder mit der Crew werden von Euch akribisch analysiert. Wir sind nicht so oft mit Selfies dabei, muss ich sagen… Vielleicht ein Fehler. Vielleicht machen wir die Tage mal ein „Best of Crew“-Artikel an dieser Stelle. Dann glaubst selbst Du uns, dass wir nicht zu den harten Langfahrern mutiert sind, die die gleiche Frisur tragen, wie ihr Unterwasserschiff (will meinen Dreadlocks an sämtlicher Körperbehaarung).
      Überraschenderweise haben wir recht wenige von der Sorte gesehen. Die besten gabs in der nudistische Kleinkomune (eine Mitfünftzigerin mit zwei knackigen Jungs). Sie hatten auf ihr panzerartiges Self-Made-Stahl-Boot ein Klohäuschen mit Über-die-Reling-Auswurf gebaut. Ein Augenschmaus. Lag aber nicht gut am Wind.

      Viele Grüße vom bartlosen Skipper,
      Fritze

      1. Jørn

        Das Außenklo mit Abwurfrinne fehlt Euch definitiv noch. Sowas gehört einfach zu jeder guten Yacht dazu. Am Besten mit Klabusterbeeren-Schaukasten 😉 Selbst meine Oma hatte einen Holzstuhl mit aufgeschraubtem Klodeckel, den sie für jedes Geschäft in ihrem Schrebergarten über ein Loch im Boden stellte. Etwas verstörend, wenn man als zarter Achtjähriger nichts ahnend im falschen Moment ums Häuschen gebogen kommt …

  2. Manfred Kröger

    Hallo lb. Alytes-Crew , es sind wirklich einmalige Erlebnisse auf Tanna Island, die ich nur über „Google Earth“ und darin als Fotos und Videos (YouTube) nachvollziehen kann.
    Z.B. den Lenakel-Market mit den gebündelten Möhren und sonstigen heimischen Gemüse und dazu die einheimische, dörfliche Betriebsamkeit.
    Die Urbevölkerung bei deren traditionellen Tänzen in spärlicher Bekleidung
    der Größe „Waschhandschuh „.
    Auch die vielen Video-Sequenzen (bis zu 10 Minuten) vom Vulkan Yasur
    361m mit den aktiven Schloten sind beeindruckend.
    In Erwartung weiterer spannender Erlebnis – Berichte, Grüße aus dem kühlen Oldenburg, Euer Manfred

    1. AlytesSkipper Beitragsautor

      Oh, jetzt nimmst Du ja schon alles vorweg ;-).

      Tatsächlich ist der Yasur beeindruckend. Schweflig, bebend, grollend, laut und immer wieder explosiv-hell. Aber die Leute aus Port Resolution haben uns noch mehr beeindruckt: Gerade im März war der Zyklon durchgerauscht, schon stehen sie wieder lachend auf den Beinen. Ziemlich inspirierend.

      Liebe Grüße,
      Fritze

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