Qualifikation: Die erste Atlantiküberfahrt (Cadiz – La Graciosa)

Der Atlantik zeigt sich von seiner freundlichen Seite. Wenig Wind und kaum Welle – doch zum Ende endlich frische Briese, Alytes in ihrem Element und zwei Schwimmausflüge in 3000 Meter Wassertiefe.

Noch liegen wir in Cadiz. Wir genießen die tolle Stadt und die Sonnenuntergänge am Liegeplatz. Aber wir sind gelangweilt. Auf heißen Kohlen.

Sonnenuntergang über Puerto Americas, Cadiz

Sonnenuntergang über Puerto América, Cadiz

Nun endlich: Der Wind hat gedreht. Oder besser, der Wind soll drehen. In allen Buchten und Häfen zwischen Faro, Madeira bis Gibraltar atmen Skipper mit dem Ziel Kanaren auf. Ein zähes, faules und langsames Tief im Norden, westlich von Santiago de Compostela und weit auf dem Ozean hat die sonst aus Norden wehende Briese auf Süd gedreht. Jede Überfahrt unter Segeln war weitgehend unmöglich. Die Vorhersagen waren düster: Das Tief würde sich über zwei Wochen halten.

Doch nun sollte sich endlich das Hoch über den Azoren durchsetzen und jedes Lüftchen eilt nicht weiter in den Kern des Tiefs sondern drängt dem des Hochs hinaus. Ein tolles Wolkenschauspiel am Himmel kündigt den Wechsel an und gibt endlich das Signal zum Aufbruch. Es sieht für unser ungeübtes Auge nicht unbedingt aufmunternd aus.

Der will doch nur Spielen

Der will doch nur Spielen

In jeder Ecke werden plötzlich die Boote klar gemacht. Wir sehen es in Cadiz, im Netz und hören es über Funk. Überall wird das laufende Gut geprüft, überall werden die Luken geschlossen, überall werden endlich die Segel gesetzt.

Auch wir sind ungeduldig. Wir hatten aus dem Südwind das Beste gemacht und sind von Gibraltar über Barbate nach Cadiz gesegelt. Ein wenig Sightseeing, dann kamen die guten Nachrichten über Windguru, Windfinder und die Grib-Daten eingetrudelt. Eigentlich müssten wir bis Mittwoch warten. Das neue Wettersystem sollte Zeit haben sich zu stabilisieren. Aber wir waren heiß. Nicht gerade eine Tugend für eine Segler-Crew. Wie immer würde uns die See zeigen, dass unsere Idee nicht die beste sein sollte.

Also früh die Leinen losgeworfen und Kurs gen Westen gesetzt. Noch hatte der Wind nicht vollkommen gedreht. Für uns war das OK, denn wir wollten ja gen südwest segeln. Aber die erhoffte weitere Drehung des Windes auf einen stabilen Nordwind blieb aus. Statt dessen schläft der Wind auf 5 Knoten ein. Es wird Abend und der Atlantik bietet uns ein unglaubliches Feuerwerk.

Feuerwerk über dem Atlantik

Feuerwerk über dem Atlantik

Doch eine alte Welle steht noch aus Südost und schlägt die schlaffen Segel samt Baum und Schoten mit lautem Krach hin und her. Immer wieder reisst der Baum an dem schon gesetzten Bullenstander. Alytes Rigg ist so gestellt, dass die am Baum geführte Großschot bei jedem gewaltsamen Schwenk gegen das Metall schlägt. Där Lärm hört sich vermutlich spektakulärer an, als es wirklich ist. Aber wie ein junges Elternpaar, das in den ersten Monaten bei jedem Seufzer denkt, das Kind sterbe, verlieren wir die Nerven.

Wir nehmen die Segel runter und wollen den Motor anwerfen. Heide fällt glücklicherweise auf, dass unsere Angel noch ausgebracht ist. Beim Bergen der Segel hatte sich die Leine an irgendetwas unter dem Rumpf festgehakt. Ruder? Propeller? Wir wissen es nicht. Also muss einer rein. Und da ich der einzige einer ist, tifft es mich. Ein Blick auf das Echolot zeigt nichts. Das Wasser ist zu tief. Die Karte sagt über 3.000 Meter. Ziemlich blau, dar Atlantik. Was sich da so tummeln mag? Ein Zeh ins Wasser. Saukalt. Also Neopren an. Alytes dümpelt mit einem Knoten gen Südwest, ich schlinge mir ein Seil um die Hüfte und setze pro forma die Tauchmaske auf. Rein. Das kalte Wasesr schießt durch die Halsöffnung über meinen Rücken. Super, denke ich. Das Seil zieht und schon merke ich dass man schon Gas geben muss, um mit dem Boot mitzuhalten. Also am Seil gerissen und die Rübe unter Wasser. Die Leine ist kaum zu sehen. Nun ja, soll ja auch so sein. Aber es zeigt sich, dass sie sich einmal um den Ruderholm gelegt hat. Luft holen. Am Saildrive abstoßen, dem stehenden Propeller ausweichen und zugreifen. Klappt, die Angel ist los. War da unten nicht ein Schatten? Quatsch. Das Heck kommt von selbst näher, jetzt ein Klimzug, während das Wasesr mich nach hinten zieht. Aber es klappt.

Nach achzehn Stunden unter nervigem Motorengeräusch setzen uns die Dreistundenwachen gut zu. In der ersten Nacht ist an Schlaf ohnehin nicht wirklich zu denken. Der Körper will einfach noch nicht so recht. Der mit 2.000 Touren direkt am hinter dem Kopfende lärmende Diesel hilft auch nicht wirklich. Aber es soll besser werden.

Am Morgen des dritten Tages dreht der Wind vollkommen und frischt endlich auf. Das Hoch hat sich durchgesetzt und wir können an unsere Leichtwindsegel denken. Hoch damit und eine Fahrt zwischen fünf und sechs Knoten geht los. Endlich können wir, total übermüdet auch schlafen.

Für die Wachgänger halten die Nächte besondere Überraschungen bereit. Heide sichtet gegen drei Uhr morgens eine Reihe blitzender Lichter quer über den Horizont. Ein Fischer hat hier sein Treib- oder Ringnetz aufgestellt. Wir sind gezwungen über eine Stunde dran entlang zu fahren und finden erst nach reichlich müdem und genervtem Fluchen eine der „Durchgangstore“. Sie sind mit schwachen roten oder grünen Lichtern markiert. Viel Spaß für Rudergänger mit Rot-Grün-Schwäche…

Und ein andermal bemerkt erst Heide, später auch ich, eine Veränderung in der Geräuschkulisse. Das Plätschern hat sich verändert. Zwischen dem regelmäßigen auf und ab im Rauschen der Wellen andere Frequenzen, andere Rytmen. Ein Blick über die Reling. Neben uns ziehen Leuchtspuren durch das Wasser. Mal schnurgerade, mal kurvig und verspielt. Plötzlich springt ein glänzender Körper aus dem Wasser. Direkt neben dem Steuerstand. Delfine. Es sind über zehn davon. Und Ihre Bewegungen bringen das Plankton im Wasser zum Leuchten. Nachts um drei hellt sich die Laune sofort auf und ein breites Lächeln stellt sich ein. Ein toller Moment in vollkommen dunkler, mondloser Nacht. Sie begleiten das Boot für fast eine halbe Stunde und sind dann verschwunden.

Auch tagsüber haben wir Besuch von Ihnen. Mit bis zu fünfundzwanzig meist ausgewachsen Tieren begleitet uns eine der Schulen für eine ganze Zeit. Wie auch immer das klappt, die Jungs machen gute Laune.

Delfine begleiten Alytes zwischen Cadiz und La Graciosa

Delfine begleiten Alytes zwischen Cadiz und La Graciosa

 

Sicher hilft auch der Wind. Er ist bis auf fünfzehn Knoten aufgefrischt und wir fahren mit über sechs Knoten auf unser Ziel zu. Der Parasailor ist gesetzt und vor uns bläht sich unter der sinkenden Sonne dieses großartige Vorwindsegel in knallgelb über den Himmel. Besser wird’s kaum.

Erloschener Vulkan an unserem Ankerplatz auf La Graciosa

Erloschener Vulkan an unserem Ankerplatz auf La Graciosa

Gegen 17:00 Uhr am fünften Tag treffen wir in der rauhen, schönen Ankerbucht auf La Graciosa ein. Lassen den Anker fallen und versinken nach Ankerdrink und Sundowner erstmal in langen, langen Schlaf. Alytes ist hiermit offiziell für die Atlantic Odyssey qualifiziert.

Ein Gedanke zu „Qualifikation: Die erste Atlantiküberfahrt (Cadiz – La Graciosa)

  1. gesa

    the magic of dolphins. beautiful. 🙂
    Jetzt mach ich mal Erdkunde Unterricht und schaue im Atlas nach wo ihr lang segelt 🙂
    Yael und Luka freuen sich jetzt schnauf Segeln mit Mina. Sie haben letzte Woche bei den Grosseltern Angeln und Boot fahren geübt. 🙂
    LG
    Gesa

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