Atlantiküberquerung (23.11.2014 – 26.11.2014): Routine und Killerfische

Wie vorhergesagt segeln wir mit Geschwindigkeiten von 4,9 bis 8,0 Knoten
durch das Kap-Verde-Becken. Der Wind ist nun weitgehend stabil, so das
die Steuerleute kaum etwas zu tun haben. Unser Vorwindsegel, ein ISTec
Parasailor, leistet beste Arbeit. Aber kleine Abenteuer gibt es dann
doch zu bestehen.

So dieses etwa: Wir sitzen gemeinsam beim Abendessen.

Gerade kämpfen wir mit den Ruinen eines Rinderfilets. Der freundliche
Metzger hat unser bestelltes 1,5 kg Rinderfilet tatsächlich in 1,5 cm
Scheiben geschnitten. Als ich den Gefrierbeutel geöffnet vor mir habe,
blutet mir das Herz. Die Filets bluten leider nicht. Habe versucht, sie
als kurzgebratene Rouladen zuzubereiten. Mit Knoblauch, Thymian,
Rosmarin, Salz und Pfeffer. Aber sie waren trotz der „Rollform“ zu durch
geraten.

Die Crew kaut also auf dem Fleisch, wir knabbern an den Maiskolben vom
Grill und machen gerade die Bierdosen auf als die Angel losrattert. Ich
sitze außen und erwische sie zuerst. Ein Monster zieht in Sekunden
meterweise Leine aus. Trotz der sehr hart eingestellten Bremse. Kaum zu
bändigen. Alytes läuft vor Parasailor, das bedeutet, wir können ohne
größeren Akt keine Fahrt aus dem Schiff nehmen. Und sie macht über sechs
Knoten, was den Spaß nicht leichter macht. So nehmen wir den Kampf auf:
Fritze an der Rute, Janne macht sich mit Rettungsweste und Gaff (Haken)
bereit, Ingo am Fisch-Gin, Heide an der Kamera und Mina am Tisch
(heimlich den zweiten Maiskolben knabbernd).

Es geht hin und her. Heide fotografiert, Jannes GoPro läuft.
Es geht immer noch hin und her.
Janne versichert, dass die Batterie der Kamera geladen ist und dass er
eine besonders dicke Speicherkarte eingelegt hat.
Es geht weiter hin und her. Janne drückt doch auf Pause. Denn der Kampf
dauert schon 15 Minuten. Wir haben kein vernünftiges Equipment an Bord,
so steckt das Ende der Angel irgendwo zwischen wohlverborgenem Sixpack
und Schambein. Schmerzhaft. Aber das Adrenalin siegt. 25 Minuten. Ich
kann auf der dünnen Dyneema-Leine ein Lautenspiel bieten, so stramm ist
die Leine.

35 Minuten. Die Muskeln krampfen. Egal.

Endlich sehen wir den Fisch. Ein Brocken. Die Schwanzflosse deutlich
sichtbar hinter der Rückenflosse. Kräftige, seitlich schlängelnde
Schwimmbewegungen. Hier und da ein Sprung. Und noch immer vierzig Meter
zu kämpfen.

Nach etwa 40 Minuten haben wir ihn querab. Etwa 1,80 bis 2,00 Meter. Ein
blauer Marlin. Wunderschön. Wir wechseln die Positionen. Fritze am Gin,
Ingo zieht an der Angel, Janne bringt den Fisch unter Einsatz seines
Lebens kurz an Bord. Wir lassen ihn ziehen (OK, er hat sich auch ein
ganz klein wenig losgerissen und ist abgesprungen, aber er war an Bord)
und sind damit nicht unzufrieden. Denn wir haben noch sechs kg Fleisch
in der Kühlung und hätten an diesem Fisch sicher eine Woche zu essen
gehabt. Aber ohne Kühlung hätten wir das meiste über Bord werfen müssen.
Aber die Fotos sind da, die blauen Flecken, die Zerrungen und der
Muskelkater. Und der Stolz natürlich.

Das Bier schmeckt doppelt so gut und das trockene Fleisch geht runter
wie ein Kobe-Schnitzel. Am nächsten Tag zehn Minuten nach Ausbringen der
Angeln beißen sie wieder. Simultan, zwei Mahi-Mahis. Aber die sind
nichts, im Gegensatz zum Marlin.

Ansonsten geht alles seinen Lauf. Zwei Stunden lassen wir die Motoren
laufen, denn wir machen Wasser und nutzen den Autopilot recht viel.
Zusammen mit unseren Kühlschränken und all der Elektronik macht das eine
Menge Verbrauch.

Alle haben sich ins Bordleben eingefunden. Wir lesen und quatschen viel.
Mina wechselt die ersten englischen Worte mit Janne und ist ansonsten
bester Laune. Obwohl die Schule nun, in ruhigeren Gewässern, wieder
begonnen hat. Ingo springt hin und wieder als Lehrer ein und Mina hört
gebannt seinen spannenden und lustigen Geschichten zu. Vermutlich hat
sie nie so viel über Segeln und Eishockey gelernt, wie in den letzten Tagen.

Die ersten frischen Waren sind nun aufgebraucht. Wir sind ohne Möhren,
Sellerie und Zucchini. Aber Kartoffeln, Süßkartoffeln, Kohl, Gurken,
Tomaten, Zitrusfrüchte, Mangos, Kiwis, Bananen und Äpfel halten sich
noch. Die Küche bleibt also auch nach 1,5 Wochen abwechslungsreich.
Unser größter Freund ist das „Schweinebein“, ein ganzer, zwölf Monate
alter Serrano-Schinken mit Klaue und allem drum und dran. Wunderbar. Der
ganze Salon ist schwanger mit dem schweren, Aroma. Ein Traum nach drei
Stunden Nachtwache in diesen Raum zu gehen.

Brot backen wir seit zwei Tagen. Jeden Tag zwei mittelgroße Laibe mit
verschiedenen Zutaten. Sonntags gibt’s ein Kuchen dazu. Der Aachener
Fladen (Danke, liebe Beni, dass Du diese Herrlichkeit in mein Leben
gebracht hast ;-)) mit Mango war großartig.

Wenn wir es richtig interpretieren sind wir zur Zeit an vierter Stelle
und in unserer Klasse (Lagoon 400) an erster. Nicht ganz schlecht 😉

Buch: Jaron Larnier, Who Owns the Future?
Musik: Norah Jones

PS: Gerade brachte uns eine Squaw (lokales Regengebiet) 30 kt Wind und
15,1 Knoten Geschwindigkeit. Wir beten derweil für unseren Parasailor 😉

PPS: Die nächste Nacht wird wohl etwas hektisch.

3 Gedanken zu „Atlantiküberquerung (23.11.2014 – 26.11.2014): Routine und Killerfische

  1. Bertolt

    Die Dehooke war gestern langsamer als Ihr, hat jetzt aber ganz schön zugelegt. Nehme an, das Welsche Pack spürt schon Euren Atem. Holt sie Euch! (Larrikin und Mahe segeln wie irre, die sind wech).

    1. Thomas aus München

      Lieber Bertholt,
      ja, gib es Ihnen. Treib Sie richtig an. Das ist der Ton, den sie verstehen….diese schleichende Kröte soll endlich mal Gas geben und nicht ständig auf Kriechkurs gehen…..
      Sag Ihnen das jeden Tag, sie brauchen das!
      Eins im Geiste,
      Thomas

  2. kai

    WIe schafft ihr das, so viele Bücher zu lesen?? in jeder Meldung ein anderes. Ich dachte, ihr habt so anstrengende Wachen…;)

    Liest sich spitze, was ihr erlebt. Freue mich auf die Fotos!

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